Kaffeekultur – Zwischen Tradition und Lifestyle
Rund um den Globus gibt es völlig unterschiedliche Bräuche, Riten und Geschichten um und über das Kaffeetrinken. Kaffee ist oft mehr als nur ein Getränk – er ist Anlass zum Zusammentreffen, Teil eines alten Brauchtums oder sogar Ausdruck der eigenen Persönlichkeit.
Mehr als nur ein Wachmacher
Der Genuss und die Geselligkeit stehen bei vielen Ritualen der Kaffeekultur im Vordergrund. Jedes Land pflegt dabei seine ureigenen, manchmal jahrhundertealten Brauchtümer. Dennoch geht Kaffee immer mit der Zeit: Die Trends des beliebten Konsumguts verändern sich stetig. Kaffee ist für viele ein Lebensgefühl, das so individuell sein kann wie seine Trinker.
Der Kaffeekult in Europa: Ein Stück Geschichte
Beinahe jeder kennt die Geschichte, wie der Kaffee nach Europa gekommen sein soll. Im 17. Jahrhundert wurde der Kaffee durch die Ausbreitung des Osmanischen Reiches immer weiter in Süd- und Zentraleuropa verbreitet. Die meisten Erzählungen datieren den Sieg über die vorrückende türkische Streitmacht in Wien als den Ursprung der Kaffeekultur in Österreich. Nach dem Ende der Belagerung im Jahre 1683 sollen säckeweise Kaffee zurückgelassen worden sein. Der Volksmund sagt, dass die braunen Bohnen zunächst für Kamelfutter gehalten wurden und beinahe verbrannt wurden. Der Dolmetscher des polnischen Königs nahm sie an sich und soll wenig später das erste Kaffeehaus gegründet haben. Historische Schriften beweisen allerdings, dass der Armenier Johannes Theodat im Jahre 1685 das erste Wiener Kaffeehaus eröffnete.
Kaffeegeschmäcker sind verschieden
Die Präferenzen innerhalb Europas sind sehr unterschiedlich. Dabei lässt sich ein klarer Trend von Süd nach Nord erkennen: Während mediterrane Gaumen kleine Mengen starken Kaffees bevorzugen, trinkt man in Skandinavien eher “dünnen” Kaffee in großer Menge. Die deutschen und niederländischen Kaffeetrinker mögen am liebsten mittelstarke Röstungen auf Arabica-Basis.
Wiener Kaffeekultur
Wer in einem traditionellen Wiener Kaffeehaus einkehrt, macht eine kleine Zeitreise. Im Stile des Fin de Siècle laden Marmortische, Polstermöbel, Kunstobjekte und hohe, gewölbeartige Decken die Gäste zum Verweilen ein. Das Ende des 19. Jahrhunderts markiert die Hochzeit der Wiener Kaffeekultur: Mit den sogenannten Kaffeehausliteraten wurden die Cafés zur zweiten Heimat der Dichter-und Denkerszene Österreichs. Jedes Kaffeehaus war bekannt für seine eigenen, wohl gehüteten Hausmischungen. Nach dem großen Kaffeehaussterben in den 1950ern feierte das klassische Kaffeehaus eine Renaissance in den Neunzigerjahren. Die Kaffeekultur in Wien gehört seit 2011 übrigens zum UNESCO Weltkulturerbe.
Italienischer Kaffee - Kulturgut mit Exporterfolg
Kaffee spielt in Italien eine derart zentrale Rolle, dass der Höchstpreis eines caffè al banco (ein Espresso, der direkt am Tresen getrunken wird) von der Gemeinde festgelegt wird. Anders als in Deutschland werden die Varianten mit Milch häufig nur zum Frühstück getrunken. Nach dem Mittag wird der Kaffee pur oder verlängert als Caffè lungo genossen. Typisch für den Geschmack des italienischen Kaffees sind Robusta-Röstungen, die einem klassischem Espresso ihre herbe Note verleihen. Die Zubereitungsweise und das Café als Ort des Zusammentreffens haben über die Gastarbeiter auch ihren Weg nach Deutschland gefunden: Eine Fußgängerzone ohne italienische Cafés oder Eissalons ist kaum vorstellbar. Italiener trinken Kaffee über den ganzen Tag verteilt. Er gehört zu jedem Tagesabschnitt – als vitalisierender Koffeinkick oder verdauungsanregender Magenschließer.
Kaffeezeremonie in Äthiopien
Der Rohstoff Kaffee ist nicht nur einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren des Landes, sondern auch ein bedeutender Teil der äthiopischen Kultur. Für eine traditionelle Kaffeezeromonie oder Jebena Buna braucht man vor allem Zeit. Das Ritual vereint nämlich die Waschung, Röstung und das Aufbrühen des Kaffees in einer schwarzen Lehmkanne. Ein elementarer Bestandteil der Zeremonie ist Weihrauch: er wird während der Zubereitung verbrannt und verleiht Jebena Buna seinen rituellen Wiedererkennungswert.
Kaffee inspiriert Sprache
Unsere Brauchtümer inspirieren auch unseren Wortschatz. In der schwedischen Kaffeekultur gibt es zum Beispiel ein eigenes Wort für die zweite Tasse Kaffee: Påtår. Eine annähernde Übersetzung wäre “Draufschluck.” Die Wiener Kaffeekultur bietet außerdem eine lange Liste von Wortneuschöpfungen speziell für die vielfältigen Kaffeevarianten. Der Zarenkaffee enthält zum Beispiel gezuckerten Eidotter. Hierzulande bezeichnet man besonders dünnen Kaffee als Bodenseekaffee.
Kaffeekunst und Kaffeekünstler
Die Leidenschaft zum Kaffee entfacht vielerorts die Kreativität seiner Fans. Oftmals ist der Hintergrund der Neuschöpfungen der Wunsch, alltäglichen Ritualen einen Hauch von Besonderheit und Individualität zu verpassen.
Der Barista
Den oder die Barista nennt man Kaffeespezialisten, die in Espresso-Bars arbeiten und Kaffee professionell zubereiten. Sie sind verantwortlich für die perfekte Crema auf dem Espresso und zarten Milchschaum auf dem Latte Macchiato. Doch was genau haben Baristas nun mit der Kaffeekultur zu tun? Der Barista vereint die bloße Zubereitung des beliebten Heißgetränks mit einer großen Portion Handwerkskunst und Leidenschaft . Inspiriert durch soziale Netzwerke und Wettbewerbe ist auch die Kaffeekunst weit verbreitet: Mithilfe spezieller Gießtechniken entstehen einzigartige Kunstwerke aus Milchschaum, Crema und Kakaopulver.
Craft-Kaffee: Alt trifft neu
Die handgemachten Röstungen der Craft-Kaffeeszene sind eine Gegenbewegung zu den großen Franchise-Systemen wie Starbucks, Lavazza oder Costa Coffee. In einer Zeit, in der Kaffee fast an jeder Ecke und in jedem Haushalt verfügbar ist, präsentieren die Craftsorten eine Rückbesinnung auf das Handwerk der Kaffeeherstellung mit einem modernen Twist. Im Mittelpunkt steht dabei die Reinheit der Bohnen. Dabei kann reichlich experimentiert werden: Von der Trocknung der Bohnen, über den Röstgrad bis hin zur Brühmethode gibt es viele Möglichkeiten, den Kaffee neu zu erfinden.
Kaffeetrends mit Tradition
Der Kaffee geht mit der Mode. Koffeinfreier Kaffee und laktosefreie Varianten sind längst zum Alltag der Baristas geworden. Echte Trends gibt es aber auch: Auf immer mehr Getränkekarten findet sich zum Beispiel der Cold Brew. Bei dieser Methode wird der gemahlene Kaffee mit kaltem Wasser gemischt und zieht mindestens zwölf Stunden. Erst dann hat er seinen vollen Geschmack entfaltet. Die Kaltbrühung entzieht dem Kaffeepulver deutlich mehr Aromastoffe, enthält aber weniger Koffein, Bitterstoffe und Säuren. Neu ist die Technik nicht: Die Herstellungsmethode ist inspiriert von der japanischen Kaffeekultur. Dort nutzt man die Kaltbrühung bereits seit dem 17. Jahrhundert.